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Kampfsport und Selbstverteidigung

Schwerpunkt: Waffenlose Selbstverteidigung gegen körperlich überlegene Angreifer
 - Kurze Erläuterungen und Beispiele aus der Praxis

HINWEISE:

-Die Abkürzung SV steht für Selbstverteidigung

-  In einigen Fällen sind die Bilderserien etwas umfangreicher erläutert. Hier wäre es ggf. komfortabler, erst die Seite an sich und anschließend die betreffenden Beschreibungen durchzulesen.
 

EFFEKTIVE  GEGENWEHR  trotz deutlicher körperlicher Unterlegenheit
- ein realistisches Ansinnen?
SV-Kampfsportarten erheben den Anspruch auf Wirksamkeit- auch bei ungünstigem Kräfteverhältnis!

 

Kampfsport - im Fachjargon Budo - ist ein Sammelbegriff für eine größere Anzahl  unterschiedlicher Sportarten, bei denen es jeweils um die kämpferische Auseinandersetzung mit Wettkampf-Gegnern oder um die präventive Vorbereitung auf etwaige Übergriffe in Alltags-Situationen geht.

 Die einzelnen Sportarten unterscheiden sich z.T. sehr stark, etwa was die primär eingesetzten Techniken und die zu beachtenden Regeln angeht. Es gibt auch Kampfsysteme bei denen der bewaffnete Kampf, z.B. mit Messern oder Stöcken, im Vordergrund steht.

Bild links: AIKUCHIDO ist ein Beispiel für eine der exotischeren Kampfsportarten. Hier geht es  primär um Messerkampf

 


Ich treffe an dieser Stelle eine sehr elementare Primär-Unterscheidung der Kampfsportarten:


Kategorie 1: Kampfsportarten, deren erfolgreiche Ausübung eine besondere körperliche Konstitution erfordert

Das sind die meisten Turniersportarten wie bspw. Boxen, Kickboxen, Thai-Boxen, Ringen etc. Hier müsste ich als Wettkampfteilnehmer zumindest annäherungsweise mit der körperlichen Konstitution des Gegners mithalten können. Sicher lässt sich auch hier ein Defizit an Kraft
 bis zu einem gewissen Grad durch Reaktionsvermögen, Geschicklichkeit und Schnelligkeit kompensieren. Dennoch  müsste ich, um eine realistische Chance zu haben, mich zumindest in der Gewichtsklasse des Gegners befinden und über ähnliche körperliche Leistungsparameter verfügen. Ich beziehe mich mit dieser Aussage bewusst auf Wettkämpfe. Ein gut trainierter 65 Kilo-Kickboxer oder ein anderer austrainierter Kampfsportler würde einen „Durchschnitts-Straßenschläger“ von überlegener körperlicher Konstitution unzweifelhaft bezwingen. Im Wettkampf allerdings trifft man auf Gegner, die ebenfalls nach bester Möglichkeit vorbereitet und trainiert sind und die ähnliche Techniken anzuwenden vermögen.

Randbemerkung: Die kampfspezifischen Bedeutungen verschiedener physischer Leistungsmerkmale werden auf einem eigenen Unterkapitel (über die Index-Seite anzusteuern) behandelt!


Kategorie 2:  Selbstverteidigungs - Kampfsportarten welche den Anspruch erheben, auch gegen körperlich (weit) überlegene Angreifer wirkungsvoll eingesetzt werden zu können.

Die Philosophie dieser „Kampfkünste“ besagt, dass es möglich sein müsse, ein gegenüber dem Angreifer ungünstiges Kräfteverhältnis unter Ausnutzung verschiedener Effekte (Hebelwirkung, Reaktionsvermögen, Geschwindigkeit, Täuschung und Überraschung, etc.) zu kompensieren.

Besonders typische SV- Kampfsportarten sind u.a. Ju-Jitsu, Aikido, Wing-Tsun und Judo. Grundtechniken hieraus finden sich in fast  jedem SV - Trainingssystem wieder. Wie gesagt, in diesen Sportarten hat die Physis (=Kraft, Konstitution) eben keine fundamentale Bedeutung. Die aggressive Kraft des Angriffs wird geführt, umgelenkt und durch eigene Energie verstärkt auf den Angreifer zurückgeführt. Kraft ist hier ein "Luxusfaktor" der im Falle seines Vorhandenseins durchaus positiv ins Gewicht fallen kann-  insbesondere wenn eine typische SV-Situation nicht in vorgesehener Weise bewältigt wird und ein "offener Kampf" entsteht (Erklärung folgt). Aber Kraft ist keine zwingende Grundbedingung dafür, dass überhaupt ein (Verteidigungs)erfolg realisiert werden kann!

In diesem Kapitel meiner Homepage möchte ich mich zunächst primär den reinen SV-Techniken bzw. SV-Kampfsportarten befassen.

Über deren Wirksamkeit oder Nutzen wird mitunter kritisch diskutiert. Ist es realistisch, sich ohne besonderer körperlicher Ambitionen seiner Haut zu erwehren? Es ist prinzipiell möglich! Während aber ein Pistolenschuß seine Wirkung unabhängig von der Person des Schützen entfaltet, hängt der Erfolg von SV-Techniken natürlich von demjenigen ab, der sie anwendet! So wie es schlechte, gute und geniale Tennis-Spieler gibt, gibt es auch schlechte, gute und geniale Anwender spezieller motorischer (SV-spezifischer) Techniken und Bewegungsmuster! Ich spreche hier bewusst nicht von Faktoren der physischen Leistungsfähigkeit (Kraft und Ausdauer), sondern vom spontanen (reflexiven) Reaktions- sowie vom Koordinations-, Kombinations-, und Steuerungsvermögen! Es gibt prinzipiell für jede Art von Angriff eine „passende Antwort“. Grundsätzlich kann auch jeder "gewöhnliche" Mensch die entsprechenden Techniken durch längerfristige Trainingsbemühungen in einem relevanten Mindestmaß erlernen. Der Idealverlauf einer SV-Situation führt zur Überwältigung und Fixierung des Angreifers. Im Minimalfall besteht der Erfolg zumindest im Erhalt des eigenen Lebens und der Wahrung einer weitgehenden körperlichen Unversehrtheit! Dies ist etwa der Fall, wenn sich eine Frau aus dem Würge- oder Haltegriff eines Triebtäters befreien und fliehen kann!

Im Ernstfall müssen die Techniken "blind" beherrscht werden um Nutzen zu bringen!



Je überlegener der Angreifer ist, um so weniger Fehlversuche darf man sich im Zuge seiner Verteidigung erlauben, oder anders formuliert: Die Zeit arbeitet gegen den körperlich Unterlegenen.

Dringlichste Voraussetzung für erfolgreiches Gelingen ist eine „blinde Beherrschung“ der geeigneten Techniken. Die Zeit die ich benötigen würde, um über deren Ausführung „nachzudenken“, habe ich im Ernstfall nicht! Vielmehr sollten die Techniken reflexartig aus der Trickkiste gezaubert werden können. Ebenso muss ein Verteidigungskonzept im Bedarfsfall blitzartig umgestaltet und fließend auf andere Bewegungen/Techniken ausgewichen werden können.

 Nachfolgende Bildserie stellt einen gescheiterten Verteidigungsversuch dar, der aber durch einen abrupten Strategiewechsel dennoch gelingt (Reihenfolge der Bilder: von links oben nach rechts unten)!

Angriffssituation: Angreifer (A) will Verteidiger (V) etwa auf Bauchhöhe an der Kleidung fassen.

V tritt mit dem linken Bein zurück, beugt den Oberkörper leicht nach vorne und blockt beidhändig den Unterarm des A ab.  Nun folgt ein Schritt mit dem linken Bein nach vorne, die Hüfte wird dabei nach innen gedreht. Gleichzeitig zur Hüftdrehung und Veränderung der Fußstellung streift V mit der linken Faust oder dem Handrücken zwecks Irritation ins Gesicht von A. V dreht sich weiter, greift  mit dem linken Arm unter dem Ellbogengelenk des A hindurch, so das dieses exakt auf dem Unterarm  von V aufliegt. Nun greift V mit seiner linken Hand nach seinem eigenen rechten Unterarm  und hält diesen fest. Während er Schultern und Arme anhebt drückt er mit der rechten Hand das rechte Handgelenk des A nach unten wodurch eine Überdehnung dessen Ellbogen - und Handgelenks erreicht wird. A wird sich  reflex- und schmerzbedingt  auf die Fußballen stellen, seinen Stand destabilisieren und dadurch  für eine Anschlußtechnik (z.B. Kick mit der linken Ferse zwischen die Beine des A) empfindlich sein.

In diesem Beispiel aber läuft etwas schief! Ehe es zur erfolgreichen Überdehnung des Ellbogengelenks von A kommt, schafft dieser es, seinen Unterarm anzuwinkeln und zurückzuziehen. Dies könnte geschehen sein weil V zu langsam war! Bild Nr. 5 zeigt deutlich die dramatische Situation. V könnte nun versuchen mit KRAFT den Unterarm des A wieder zu strecken. Da er aber weit weniger Körperkraft als A aufweist, wäre kaum mit einem Erfolg zu rechnen!  Statt dessen aber vollzieht V nochmals eine Hüftdrehung nach links wobei die Fußstellung entsprechend verändert wird. Anstatt den Arm des A zu dehnen beugt er nun denselben nach hinten, also in die Richtung in welche A ohnehin schon zieht. Dadurch kommt ihm die Kraft, die A in das Anwinkeln seines Unterarmes einbringt zu Gute - sie addiert sich für kurze Zeit zur eigenen Kraft (ehe A die verämderte Situation registriert und darauf reagiert - da aber jeder Mensch eine "Schrecksekunde" hat, wird er nicht unverzüglich reagieren können).  Wichtig hierbei ist, dass das Handgelenk von A nach innen gedrückt und somit gehebelt wird! Bei korrekter Ausführung- vor allem auch mit der richtigen Geschwindigkeit-  wird A nun das Gleichgewicht verlieren und nach hinten kippen oder zumindest ansatzweise in die Knie gehen. In beiden Fällen stehen geeignete Anschlußtechniken zur Verfügung!

Wenn man darüber debattiert welche körperlichen Leistungsmerkmale oder welche Kampftechniken „die Besten“ sind, sollte man unbedingt ein rigoroses Entweder-Oder -Denken vermeiden! Was die Bedeutung der einzelnen physischen Faktoren (Kraft, Ausdauer, etc.) betrifft sei nochmals auf das zweite Hauptkapitel meiner Homepage verwiesen.

An dieser Stelle deshalb nur ein paar knappe Sätze dazu:
Jeder Mensch hat andere Stärken und Schwächen. Was für den Einen sinnvoll ist, nutzt einem anderen möglicherweise sehr wenig. Jemand mit 185 cm Körpergröße und langen Gliedmaßen kann Kickbox- Techniken weitaus vorteilhafter anwenden wie jemand der nur 160cm groß ist. Dieser jedoch könnte im Gegensatz zu einer sehr groß gewachsenen Person Judo-Techniken, insbesondere Wurftechniken weitaus besser umsetzen.

Idealerweise trainiert man das,  was den eigenen Fähigkeiten am ehesten entspricht. Man sollte dabei nicht rigoros an einem System, (bspw. Taek-Wan-Do  oder Judo)  festhalten, sondern aus verschiedenen Bereichen brauchbare Erfahrungen sammeln. Im Ernstfall sollte man nie das anzuwenden versuchen, was man nicht korrekt beherrscht. Für eine erfolgreiche Selbstverteidigung findet man in mehreren Sparten, besonders auch in Wing-Tsun,  Aikido und Ju-Jitsu brauchbare Techniken die  bei zeitlich und technisch korrekter Anwendung zur Kompensation eines ungünstigen Kräfteverhältnisses führen. Einige Beispiele werde ich nachfolgend bildlich illustrieren.
 

Der UNTERSCHIED zwischen KAMPF und SELBSTVERTEIDIGUNG.

 Kampf und Selbstverteidigung können natürlich nicht rigoros und statisch voneinander differenziert werden. Ferner besteht eine fließende Grenze zwischen den Begriffen.


 Ein KAMPF IM ENGEREN SINN oder sagen wir im EIGENTLICHEN SINN bedeutet zunächst natürlich eine körperliche Konfrontation zwischen Kontrahenten- sei es nun im sportlichen Wettkampf oder in einer Straßenschlägerei. Die Gegner bieten ihre Kräfte, ihre vorhandenen physischen und technischen Ambitionen gegeneinander auf. Beide sind um offensive Maßnahmen bemüht und versuchen aus der Summe ihrer jeweiligen Stärken einen Sieg zu erreichen.


Im Falle einer Selbstverteidigung wird versucht, eine konkrete Angriffs-Situation durch Anwendung spezifischer Techniken abzuwehren. Man vermeidet es  dabei tunlichst die eigene Kraft gegen die des Angreifers aufzubieten!
Zunächst geht es darum das Schädigungs-Potential der unmittelbaren Angriffs-Aktion zu entschärfen, z.B. indem man sich aus einem Halte- oder Würgegriff befreit, einem Fußtritt oder Fauststoß ausweicht oder den Schlag bzw. Tritt abblockt. Nachdem die unmittelbare Gefahr gebannt ist können je nach Situation eine oder mehrere Anschlußtechniken angewandt  oder im Zweifelsfall ein Rückzug eingeleitet werden. Ersteres könnte z.B. durch einen Schlag oder Tritt in eine sehr schmerzempfindliche Körperregion des Angreifers (Kehlkopf, Genitailbereich, etc.) oder durch die Anwendung einer Hebeltechnik erfolgen, wie noch genauer gezeigt werden soll.

In der Theorie wird prinzipiell ein Angriff durch eine körperlich überlegene Person unterstellt (dies ist insofern logisch, als sich ein mutwilliger Aggressor für gewöhnlich kein augenscheinlich größeres und stärkeres "Opfer" auswählen wird). Deshalb gilt es eine Kampfhandlung im engeren Sinne zu vermeiden, ja vielmehr könnte oder würde eine solche dem Verteidiger zum Verhängnis werden.

 

 

 GRUNDPRINZIPIEN DER SELBSTVERTEIDIGUNGSSYSTEME

-Als Verteidiger greife ich im Normalfall niemals an! Ich überlasse dem Aggressor die Aktion und beschränke mich primär auf die Reaktion! Ein gut trainierter SV- Kampfsportler erkennt einen gegnerischen Fauststoß nicht erst nach dem erfolgten Treffer. Für ihn besteht auch keine Erfordernis, sich auf Hände und Beine des Angreifers zu konzentrieren. Vielmehr ist er in der Lage, verschiedene Anzeichen einer konkreten Angriffs-Aktion aus den Augenwinkeln heraus zu erkennen.
In wenigen besonderen Situationen kann es sich ausnahmsweise anbieten, einem Angriff durch einen eigenen Angriff zuvorzukommen.


-Nie gegen die Stärken des Gegners ankämpfen, sondern Möglichkeiten nutzen, sie zu umgehen I
 

Einen äußerst wichtigen Stellenwert nehmen bei vielen SV- Techniken die sog. „Hebeltechniken“ ein. Den Begriff des Hebels findet man u.a. in der Mathematik, der Physik und in der Technik  (Mechanik). Eine Hebelwirkung bedeutet die Verstärkung einer eingesetzten Kraft. Auch bei der Selbstverteidigung spielen Hebeleffekte eine zentrale Rolle. Hier versteht man darunter die schmerzhafte Fixierung eines oder mehrerer Gelenke (etwa Finger-, Hand-, Ellbogengelenk, etc.) in einer unnatürlichen Stellung, die den Angreifer zur Aufgage zwingen oder ihn dazu nötigen soll, eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen. Diese  erzwungene Körperhaltung wiederum  gestattet dem Verteidiger Folgeaktionen, z.B. das Abführen des Aggressors. 

Beispiel für die Anwendung eines Handgelenkhebels

Situation:  Angreifer (A)  greift Verteidiger (V) am rechten Handgelenk

V führt seinen linken gestreckten Arm in einem weiten Bogen über links außen nach oben (würde er ihn gerade noch oben führen, würde er an der Körperkraft des A scheitern). Gleichzeitig greift er mit seiner rechten Hand an den Handrücken des A, während er seine eigene linke Hand im Gelenk ruckartig nach außen dreht, so dass auch der linke Daumen nach oben zeigt. Nun knickt er das rechte Handgelenk das A ein, was natürlich nur funktionieren kann, wenn dessen Arm weiterhin ausgestreckt bleibt. Hierfür kann V sorgen indem er auf entsprechenden Abstand zu A achtet (ggf. einen Schritt zurückweicht). Ebenso muss sich das Handgelenk von A im entscheidenden Moment in einer vertikalen Position befinden (Daumen zeigt nach oben)! Wenn bis hierher kein Fehler unterlaufen ist,  wird A schmerzbedingt in die Knie gehen und sich für Anschlußtechniken verwundbar zeigen.

 

 Z-HEBEL - ebenfalls eine effektive  Abwehrmaßnahme gegen obige Angriffssituation. Das Handgelenk des Angreifers  wird nach außen gedreht während gleichzeitig sein Ellbogen durch Druck auf einen bestimmen Punkt in der Armbeuge angewinkelt wird. Die Position von Hand, Unterarm und Oberarm erinnern hierbei an ein Z -wovon sich der Name dieser Technik ableitet.


-Droht eine Abwehrmaßnahme zu scheitern macht es keinen Sinn sie fortzusetzen. Vielmehr muss spontan und zügig auf eine u.U. völlig andere Maßnahme zurückgegriffen werden.


- Täuschungs-und Überraschungsmanöver können bei der SV ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. In manchen Fällen ist es indiziert, einen kurzfristigen Scheinwiderstand zu leisten, um den Angreifer zur Fortführung oder Wiederholung einer für ihn ungeeigneten Angriffsmaßnahme zu verleiten, aus der man Vorteile für die eigene Verteidigung ziehen kann.
 

  In manchen Budo-Sportarten wird auch vordergründig der Kampf mit Waffen trainiert (außer natürlich Distanz- bzw. Schusswaffen).


Im Zuge diverser Selbstverteidigungs -Sportarten bereitet man sich ebenfalls auf Situationen vor, innerhalb derer eine Bedrohung mit einer Waffe erfolgt. Im Falle einer Schußwaffe  besteht natürlich nur dann eine Chance, wenn sich der Aggressor in allernächster Nähe befindet. Mit einem Stock oder Messer angegriffen zu werden ist eine weitaus wahrscheinlichere und ebenfalls höchst gefährliche Situation. Auch hier gilt wie in nahezu  allen denkbaren SV-Situtationen: “Theoretisch ist nichts aussichtslos“. Und auch in der Praxis würde die zeitlich und technisch perfekt angewandte Abwehrmaßnahme zum Erfolg führen. Der Schwierigkeitsgrad allerdings ist ungemein höher, ebenso das Risiko schwerer Verletzungen.


Die Gefährdung die von einem Messerstecher ausgeht steigert sich erheblich, wenn dieser mit seinem Spielzeug auch umgehen kann, also über technische Fähigkeiten und ein hohes Reaktionsvermögen verfügt. Es ist ein großer Unterschied, ob eine unbedarfte Person im Affekt zum Messer greift und in simplen Bewegungen zusticht (ein klassisches Bild hierfür wäre etwa der Stich mit nach oben durchgestrecktem Arm, der das Messer im weiten Bogen in Schulter- oder Brustbereich des Opfers lenken soll) oder ein reaktionsschneller, geübter Gegner die Klinge wie unsichtbar in fließenden, schnellen Bewegungen durch die Luft zischen lässt.


Besteht Zwang, sich einem bewaffneten Gegner zu stellen, stehen für den Geübten auch in diesem Fall eine Reihe effektiver Abwehrtechniken zur Verfügung!

Äußerst gefährliche Situation:  Auch für Angriffe mit Stichwaffen gibt es geeignete Abwehrtechniken. Hier kann aber ein Fehler in der Verteidigung noch schneller zu noch schlimmeren Folgen führen! Leider ist das Messer in der Bildserie etwas schwer zu erkennen. Deshalb der Hinweis: Die rechte Person (Angreifer) sticht mit einem Messer zu.

 

 Die Voraussetzung einer realen Bedrohung sollte gegeben sein, ehe man sich dazu entschließt, irgendwelche SV-Techniken einzusetzen, die im Falle eines Scheiterns die Aggression und Gewaltbereitschaft des Konfliktgegners anfachen können. Damit möchte ich  nicht andeuten das der Nutzen der Techniken nicht gewährleistet wäre, sondern das es eben nicht gänzlich einfach ist, sie präzise so auszuwählen und auszuführen, wie es den Erfordernissen einer gefährlichen Situation entspricht! Es kommt auf eine Reihe spezifischer Details an! Wer leichtfertig oder gar mutwillig eine tätliche Konfrontation riskiert oder gar provoziert, hat die Philosophie des Selbstverteidigungs-Trainings sicher nicht kapiert! Für jemand der auf SV und die Erhaltung seiner eigenen körperlichen Unversehrtheit bedacht ist, lautet das oberste Gebot, Risiken zu vermeiden, wenn sie sich vermeiden lassen!

 

Kampfsport- und Selbstverteidigungstraining für Kinder und Jugendliche
- Sinnvoll oder Zweifelhaft?!

Hierzu gibt es denkbar unterschiedliche Meinungen. Beginnen wir vielleicht mit den Argumenten der Skeptiker:
 

Zum Einen geht es um die denkbare Möglichkeit, Kinder und Jugendliche könnten im Zusammenhang mit Kampfsporttraining ein erhöhtes Aggressionsverhalten entwickeln.
Das dieser Effekt in Einzelfällen auftreten kann möchte ich nicht leugnen. Einen generellen Zusammenhang dieser Art erachte ich für abwegig. Sport führt wie man weiß langfristig zu einer Optimierung der sozialen Fähigkeiten eines Kindes, egal ob Fußball, Kampfsport oder sonst was. Gründe für Aggressionen bei Kindern und Jugendlichen sind vielschichtig und oftmals multikomplex bedingt. Das Trainieren körperlicher und mentaler Fähigkeiten (etwa Konzentration und Disziplin) in der Gemeinschaft und unter Anweisung eines kompetenten Trainers zählt bestimmt eher zu den denkbaren Lösungen solcher Probleme, als zu deren Ursachen!

Zum Anderen geht es um die Effizienz, also um die Frage, ob ein Kind, ein Jugendlicher, ein minderjähriges Mädchen ungeachtet irgendwelcher technischer Fertigkeiten überhaupt etwas auszurichten vermag.  

Ich denke es ist sinnvoll, zwischen zwei Arten oder "Qualitätsstufen" einer erfolgreichen Selbstverteidigung zu differenzieren. Die erste Möglichkeit, die "Minimalvariante" eines Erfolges trägt das Motto: "Lebendig entkommen". Das bedeutet: Einen unmittelbaren Angriff abwehren (Fauststoß oder Fußtritt ausweichen oder abblocken, sich aus Festhalte-, Klammer- oder Würgegriff befreien, falls die Situation (Zeitfenster und konkrete Position des Angreifers) es zulassen: einen Schlag, Tritt oder kräftigen Griff in eine schmerzempfindliche Stelle (wegen Zeitgewinn für anschließende Flucht) und dann Sprinten was die Beine hergeben - idealer Weise in einen räumlichen Bereich, in dem öffentliche Wahrnehmung vorhanden ist und im Idealfall auf Hilfe oder zumindest Zeugenschaft Dritter gerechnet werden kann! 

Die Maximalvariante eines Erfolges trägt das Motto: "Angreifer überwältigen", etwa durch Hebelgriffe fixieren.

Es liegt auf der Hand, dass sich die beiden Varianten im Schwierigkeitsgrad dramatisch unterscheiden.

Die Anforderungen, die ein Verteidiger für den "Minimalerfolg" aufbieten muss, sind aber auch für nicht explizit talentierte Menschen und grundsätzlich selbst für Kinder erbringbar!

Sicherlich wäre es höchst  illusorisch davon auszugehen, dass z.B. ein10 - oder 12 jähriges Mädchen mit fundierten SV-Kenntnissen einen 90 Kilo schweren Vergewaltiger krankenhausreif schlagen und an den Haaren zur Polizeistation schleppen würde. 

Mit Sicherheit aber hätte es realistische Chancen einem Drama durch Realisierung eines "Minimalerfolges" im o.g. Sinne zu entrinnen! Es ist bereits schon als Vorteil zu betrachten wenn ein Kind zumindest psychologisch mit der Möglichkeit solcher Situationen vertraut ist und im Ernstfall nicht vor Angst in Bewegungsunfähigkeit erstarrt, sondern wenigstens laut schreit um ggf. die Aufmerksamkeit anderer Personen auf sich und den Angreifer zu ziehen.

"Aber wird ein Täter nicht noch brutaler, wenn das Opfer versucht sich zu wehren?" - Dieses Argument kann im Falle eines gescheiterten Verteidigungsversuches zutreffen - je nach Täter-Typ. Pauschalisiert werden kann diese Aussage aber mit Sicherheit nicht- auch das Gegenteil ist möglich!

Gerade sexuell motivierte Gewaltverbrecher mit  besonderem Augenmerk für Kinder suchen sehr häufig bewusst nach verängstigten, sensiblen, schwachen Opfern, damit sie ihre Überlegenheit uneingeschränkt ausspielen können. Für nicht wenige Subjekte aus dieser Tätergruppe wäre ein selbstsicher und wenig furchtsam erscheinendes Opfer sogar irritierend und von tendenziell geringerem Interesse!

Es sind zahlreiche Fälle von Tätern dokumentiert, die durch heftige Gegenwehr von ihrem ursprünglichen Vorhaben abgehalten wurden, obwohl sie das Opfer prinzipiell überwältigen hätten können! Ihr perverser Plan verlief nicht im Sinne ihrer Vorstellung, das vermeintliche Opfer passte durch sein Verhalten nicht gut genug in das mentale "Opfer-Schema" oder die "Opfer-Vorstellung" des Täters.

Jeder Mensch (ob "normal" oder "gestört") hat ständig so etwas wie ein "inneres Drehbuch" im Kopf. Damit ist hier weniger ein komplexes, kognitives Verhaltenskonzept oder ein ausgefeilter Plan gemeint, sondern eine im Allgemeinen inhaltlich sehr vage, nonverbale und "atmosphärische" Vorstellung oder Empfindung dessen bzw. darüber, was man als nächstes zu tun gedenkt, welche Ereignisse ungefähr eintreten könnten bzw. wie die unmittelbar folgende Zukunft (die nächsten Augenblicke) in etwa verlaufen könnte. Diese Vorstellung entspricht also einer Art "inneren Wahrscheinlichkeitsberechnung" die vom Unterbewusstsein generiert wird. Wenn nun dieses "innere Drehbuch" durch unerwartete äußere Ereignisse ins Stocken gerät, ändern sich zumeist auch die augenblicklichen Handlungsweisen eines Menschen. Zumindest durchlebt die betreffende Person eine mehr oder weniger ausgeprägte "Irritationsphase", die das vordergründige Verhaltensschema vorerst unterbricht und einige Augenblicke der inneren Bewertung und Neuausrichtung auslöst. Einige Sekunden der Irritation (des Täters) können für ein Opfer sehr gewinnbringend sein!

 

Gerade was die Befreiung aus Würge- und Festhaltegriffen betrifft, stehen eine Reihe sehr effektiver Methoden zur Verfügung, die auch bei einem wirklich enorm ungünstigem Kräfteverhältnis ihre Wirkung entfalten! Sie stellen bei korrekter Ausführung selbst für ein Kind bei einer Konfrontation mit einem Erwachsenen eine durchaus konkrete Chance dar!  Nachfolgend ein paar sehr einfache  Beispiele:
 

SITUATION: Verteidiger (V) wird von hinten aus "weiter Distanz" gewürgt.

V beugt den Oberkörper nach vorne, ggf. macht er zur Erleichterung dieser ersten Aktion gleichzeitig einen kleineren Schritt nach hinten.  Während der Beugung dreht er sich nach links wobei auch die Fußstellung dementsprechend geändert wird (linkes Bein einen Schritt Richtung A). Somit steht er in gebeugter  Körperhaltung seitlich zum Angreifer. Der Griff des A wird sich zwangsläufig lösen oder lockern.  Nun wird die Körperdrehung fortgeführt während sich der Oberkörper wieder aufrichtet. Dies geschieht mit hoher Geschwindigkeit um Schwung zu holen!  Die linke Faust drückt dabei in die rechte Handfläche, die Unterarme bilden vor dem Körper eine gerade Linie. V ist nun darauf bedacht mit dem linken Ellbogen einen sensiblen Punkt des A zu treffen (,Kinn,  Kehlkopf, Nasenbein, Auge). Unmittelbar anschließend wäre ein Kniestoß mit dem rechten Bein in den Genitailbereich des A denkbar - insbesondere falls der Ellbogenstoß nicht gut getroffen haben sollte. 

 

 

SITUATION: Verteidiger (V) wird von vorne gewürgt. Distanz zum Angreifer (A) ist auch in diesem Beispiel weit.

V zieht die Schultern hoch und spannt dabei Hals- und Genickmuskulatur an.  Bei diesem ersten Schritt handelt es sich um eine automatische Reaktion  die jeder Mensch in so einer Lage unbewusst ausführen würde. Nun ballt er die rechte Hand zur Faust und streckt sie senkrecht nach oben (insofern er kein Linkshänder ist -wie mein Neffe der mir freundlicher Weise beim Erstellen der Bildserien half). Nun dreht er die Hüfte etwas nach innen was auch hier wieder mit einer Veränderung der Fußstellung einhergeht. Gleichzeitig schlägt er die rechte Faust schwungvoll zwischen den Unterarmen des A hindurch in Richtung Boden. Dadurch und durch die Hüftdrehung begünstigt wird sich der Griff des A lösen! Nun richtet V seinen Oberkörper der beim Faustschlag nach unten mit in die Tiefe gebeugt wurde wieder schwungvoll auf. Seine rechte Faust umschließt er mit der linken Hand (oder umgekehrt) während die Ellbogen wieder eine gerade Linie vor dem Körper bilden. Der linke Ellbogen sollte günstigsten Falles einen sensiblen Bereich des A treffen ( Kinn, Hals, Kehlkopf, Nase, Auge). Auch hier könnte anschließend das rechte Knie  für einen Stoß in den Bauch oder den Genitailbereich benutzt werden.

 

Ein eindeutiger Vorteil frühzeitiger Trainingsbemühungen besteht  darin, das die Leistungsfähigkeit des Trainierenden als Erwachsener einmal umso höher sein könnte, je früher er als Kind damit begonnen hat. Dieser Umstand  trifft prinzipiell auf die meisten Sportarten zu, er stellt aber den Sinn eines späten Erlernens von Kampf - oder SV- Techniken nicht in Abrede!


Das beste Lernalter für motorische Bewegungsabläufe liegt zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr. Das so junge Kinder bereits Kampfsport und insbesondere auch Selbstverteidigungs-Techniken trainieren ist keine Seltenheit und auch nicht unzweckmäßig.  Gerade im Kampfsport werden sehr anspruchsvolle und komplexe motorische Bewegungsmuster trainiert. Ein vernünftiger Trainer wird dafür sorgen das Kinder z.B. keine harten Kampftechniken trainieren und anwenden. Vielmehr müssen die primären Trainingsziele in diesem Alter auf Steigerung des Konzentrations- und  Koordinationsvermögens sowie auf Verbesserung der Beweglichkeit und der Körperbeherrschung schlechthin hinauslaufen. 

Darüber hinaus sollte man bei der Beurteilung der Bedeutung eines (SV) -Kampfsporttrainings nicht nur die sportartspezifischen Leistungsverbesserungen  bedenken. Ein gesteigertes Reaktions- und Koordinationsvermögen, eine Verbesserung der Beweglichkeit  und der allgemeinen motorischen Fähigkeiten sind auch im Alltagsleben vorteilhaft, indem sie Gesundheit und Wohlbefinden bewahren bzw. steigern.

Abschließend noch eine SV- Bildserie über die Befreiung aus einem Würgegriff:

V spannt reflexbedingt Hals-und Genickmuskulatur an und zieht die Schultern nach oben. Er führt seine Händflächen in Gebetsstellung zusammen und sticht mit beiden Händen von unten zwischen den Unterarmen des A durch. Mit der rechten Hand greift er an die linke Schulter des A.  Mit dem linken Arm greift V über das rechte Ellbogengelenk des A drüber und führt seinen eigenen Unterarm unter demselben wieder nach innen. Mit seiner linken Hand greift V nach seinem eigenen rechten Unterarm. Das rechte Ellbogengelenk des A liegt nun auf dem linken Ellbogengelenk des V und kann durch Anheben der Arme des V überdehnt werden. A wird sich dadurch schmerz- und reflexbedingt auf die Fußballen stellen und seinen Stand destabilisieren. Nun kann V mit einem Fuß das rechte Bein des A wegfegen und diesen zu Fall bringen. 

 

Bei den hier gezeigten Beispielen handelt es sich nur um einen sehr kleinen Bruchteil aus einer hohen Anzahl von denkbaren Verteidigungs-Techniken. Wer sich selber einen Überblick über die Vielseitigkeit und die praktische Anwendbarkeit von SV-Techniken machen will, kommt nicht umhin, sich diese in der Praxis von einem kompetenten Trainer zeigen zu lassen. Die besten Trainer sind meiner Meinung nach diejenigen, die nicht stur an einem System festhalten sondern "branchenübergreifende" Erfahrungen vorweisen können!

Das Erlernen solcher und anderer Techniken funktioniert nur durch praktisches Training! Theoretische Anleitungen können kein Gefühl für die entsprechenden Abläufe und auch keine Bewegungserfahrung vermitteln!

 

Ich wünsche Euch noch viel Spaß beim Lesen der  andren Kapitel meiner Homepage
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